Kongeniales Glas Bevor Sie jetzt mit den Augen rollen und denken: «Nicht noch mehr Gläser!» – nehmen Sie sich einen Moment Zeit. Denn eine neue Generation von Weingläsern erobert seit wenigen Jahren die Gastronomie. Sie hat einen entscheidenden Vorteil. Weingenuss steckt voller Traditionen, Rituale und Bräuche. Um sie zu überwinden, bedarf es einer mittleren Revolution. Eine solche ist gerade im Gange, wenn man die Umbrüche beim Thema Weinglas betrachtet. Zugegeben, es zeugt von Tischkultur, mit rebsortenspezifischen Gläsern einen guten Wein zu geniessen. Nur so ist es wahrscheinlich zu erklären, dass sich die Idee eines Universalglases erst jetzt durchzusetzen beginnt. Und das, obwohl ein solches viel Platz und Geld sparen lässt. Fall, so eignet sich das Gabriel-Glas auch für Champagner sehr gut, denn das Prickeln im Mund wird dadurch weniger.» Bei Longdrinks ist es wichtig, dass zuerst die Flüssigkeit ins Glas kommt und man erst dann das Eis hineingleiten lässt. Auch Cognac, Armagnac, Whiskey, Brandy, Grappa etc. munden aus den Gläsern der neuen Generation, weil sie den stechenden Ton brechen und die Spirituosen dadurch viel weicher und aromatischer werden. Auch heute noch müssen ihre Hersteller viel Überzeugungsarbeit leisten. Dabei sind die Reaktionen derer, die den Vergleich wagten, ziemlich eindeutig. Darunter auch die renommierte Schweizerische Hotelfachschule Luzern. Sie hat die alten Traditionen verlassen und arbeitet nur noch mit einem Weinglas. Eines für alles «Unterschiedliche Weingläser sind Schnee von gestern», erklärt Geschäftsführerin von Gabriel-Glas Karin Gabriel, «denn es gibt keinen Grund, einen Weisswein aus einem kleineren Glas zu trinken. Dies wertet nur den Weisswein ab. Ein Glas reicht völlig.» Mehr noch: Wenn zuerst Weisswein daraus getrunken wird, ist das Glas «aviniert» und hat keine Fremdnoten mehr – zum Beispiel aufgrund eines Schranks, eines Spülmittels und dergleichen – so die Weinglasexpertin. Das Glas-Geheimnis «Während sich der Wein in normalen, bauchigen Gläsern zentrifugal bewegt und sich dabei die Aromen wie ein Hamster im Rad drehen, bildet sich im Gabriel-Glas eine fein gefächerte Turbine, bei der die freigesetzten Aromen wie eine facettenreiche Spirale kreisförmig nach oben schweben und so dem Wein ein noch nie erlebtes Parfüm entlocken.» Speziell ist auch der Austrittswinkel der Aromen aus dem Glas. Er entspricht dem Verlauf der Nasenröhre. So kommt keine «falsche» Luft zum Bouquet und die freigesetzten Aromen werden ohne jeglichen Verlust direkt dem Riechorgan zugeführt. Damit aber nicht genug. Form, Durchmesser, Öffnungsbreite, Höhe – alle Glaseigenschaften sind bei den neuen Gläsern daraufhin optimiert, den maximalen Genuss zu bereiten. Bei Champagner, Prosecco und Cava gibt es geteilte Meinungen: «Menschen, die starke Kohlensäure über alles lieben, trinken aus der Flûte. Menschen, die das Weinige darin suchen, greifen zur neuen Glasvariante, da die Kohlensäure viel weicher rüberkommt», erklärt Karin Gabriel. Wenn es nach ihr geht, braucht man nur noch für Champagner ein anderes Glas, «aber auch da nur, wenn der Konsument gerne viel Kohlensäure hat. Ist dies nicht der Und Bier? Fest steht: Biersommeliers sind kleine Revoluzzer. Denn sie sind meistens mit langstieligen Gläsern in der Hand zu sehen. Vor allem, wenn es sich um charakterstarke Craftbeer-Kreationen handelt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie lange es dauert, bis ein universelles Stielglas nennenswerte Flächen in den Bierglas-Schränken der Gastronomen erobert. Das Potenzial dazu hat es jedenfalls. •
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